Literaturabende

Interessierte Bücherfans ladet das Bücherei-Team St. Margareta gelegentlich zu einem Literaturabend ein, an dem besonders interessante oder spannende Bücher, Neuerscheinungen oder Bücher aus besonderem Anlass vorgestellt werden. Das ist immer eine gute Gelegenheit, sich Anregungen zu holen und neuen Lesestoff aus dem Bestand der Bücherei kennenzulernen.

Literaturabend am 21.02.2024

Das Bücherei-Team der Kath. Kirche St. Margareta konnte am Mittwoch, den 21.02.2024 um 19.30 Uhr mehr als 25 Gäste zum Literaturabend im Gemeindehaus an der Bahnhofstraße 113 in Lengerich begrüßen. Das Team hatte die dort beheimatete, nach eigener Aussage kleine aber feine Bücherei, hübsch hergerichtet und mit Stehleuchte und gemütlichem Lesesessel ausgestattet, von dem aus sechs Frauen des Teams nacheinander ein Buch ihrer Wahl vorstellten.

Das Konzept, jeweils sich zuerst selber, danach die Vita der Autoren und Autorinnen bekannt zu machen, und im Anschluss Rezensionen, Inhaltsüberblicke und persönliche Einschätzungen mit vorgelesenen Textpassagen zu verknüpfen, und abschließend eine begründete Buchempfehlung abzugeben, ging voll auf. Brigitte Kuck, die in einführenden Worten darauf hinwies, dass einige Jahre alte wie brandneue Bücher unterschiedlichster Art gezeigt würden, die alle interessant oder spannend, in jedem Fall aber empfehlenswert sind, sollte Recht behalten.

Nachdem Sigrid Kleinemeier zum Auftakt „Kleine Dinge wie diese“ von Clair Keegan vorgestellt hatte, war die Betroffenheit der Zuhörer angesichts der Thematik groß. Die Geschichte dreht sich um das Schicksal irischer, zumeist sozial auffälliger oder ungewollt schwangerer, Mädchen und Frauen, die in Klöstern interniert wurden und in den dortigen so genannten „Magdalenen-Wäschereien“ Zwangsarbeit leisten und viel Leid erfahren mussten. Das eher unscheinbare dünne Buch hat es in sich. 30.000 Frauen waren von derartigen Erfahrungen betroffen und niemand hätte das Unrecht heute auf dem Schirm, wenn das Drama nicht in den 90er Jahren bekannt geworden wäre, als ein neuer Besitzer nach dem Grundstückverkauf im Garten seines Geländes auf 150 Leichen stieß. Ein Brillantes Stück Mut, das sich aus Empathie speist, bestätigte Sigrid Kleinemeier eine Rezension auf die Story um den Protagonisten Fergon, der zeige, dass das Engagement jedes Einzelnen den Unterschied machen kann. Ganz so, wie heute die von Pfarrer Peter Kossen ins Leben gerufene Aktion „Würde und Gerechtigkeit“ mit dem Kampf gegen die Ungerechtigkeiten in der Fleischindustrie.

Heike Schreibers Buchvorstellung „Ein Hof und elf Geschwister“ von Ewald Frie, fasziniert mit der Lebensgeschichte der Familie des Autors, der in einer Hommage an seine Eltern, die er als „die größten Helden dieses Buches“ sieht, den familiären Werdegang im bäuerlichen Umfeld seit 1943 beschreibt. Die tief im Glauben verwurzelte Mutter bringt zwischen 1944 und 1969 im Abstand von je zwei Jahren elf Kinder zur Welt und steht daher besonders im Focus. Das Buch ist mit vielen sachlichen und geschichtlichen Informationen unterfüttert und zeigt auf, wie sehr das bäuerliche Umfeld und gesellschaftliche Sichtweisen die Entwicklung das Leben jedes Familienmitgliedes prägt. Dass nur ein Kind letztlich den Beruf des Landwirtes ausübt erfüllt zwar ein Klischee, aber alle anderen Kinder, allen voran Ewald Frie, Professor für neuere Geschichte an der Universität Tübingen, beweisen mit ihren akademischen Abschlüssen, wie es um das Selbstverständnis der Familie steht. Das Ende der Mutter sei überraschend, aber sollte selbst nachgelesen werden.

Brigitte Kuck stellte „Die Sache mit Israel“ von Richard C. Schneider vor. Der langjährige ARD- Studioleiter und Chefkorrespondent in Tel Aviv und Rom befasst sich mit dem Nahost-Konflikt und wirbt um Verständnis für die Halbheiten und Provisorien vor Ort, ohne dabei Verstöße gegen internationales Recht oder extreme Positionen auf allen Seiten zu relativieren. Mit der Beantwortung von fünf Fragen zur Rolle Israels plädiert er für mehr Flexibilität und Einfühlungsvermögen gegenüber den äußerst ambivalenten Zuständen dort, die nicht 1:1 auf unsere Verhältnisse übertragbar sind. Die Empfehlung lautet „lesen“, weil es das aktuelle Geschehen spiegelt, dazu aufklären kann, packend informiert und nicht wertet.

Nach einer kurzen Pause fanden sich die Zuhörer mit dem Vortrag von Gerda Kremer „in einem alten Haus in Berlin“ wieder, einem Buch von Katrin Wolf mit Illustrationen von Isabell Kreitz. Die als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin mit dem 1. Deutschen Comicpreis ausgezeichnete Illustratorin nimmt die LeserInnen mit auf einen, textlich wunderbar begleiteten Streifzug durch 150 Jahre deutsche Geschichte. Alles rankt sich um ein Haus und deren Bewohner in einer Belle-Etage in Berlin, die den Wandel der Zeit, angefangen von der Reichsgründung 1871 über das Dreikaiserjahr 1888, die Olympiade 1936, die Berlinale 1959 und die Wiedervereinigung bis hinein in das Jahr 2021 erleben. Obwohl das Buch viel Politisches enthält ist es eine wunderbare Lektüre für Jung und Alt mit vielen Beschreibungen, die zum Schmunzeln anregen, vor allem mit Blick auf die Rolle der Frau.  

Daran anknüpfend empfahl Gerda Kremer auch das Buch von Torsten Körner „In der Männer-Republik, wie Frauen die Politik eroberten“. Das Beispiel eines Fotos aus dem Deutschen Bundestag von 1979, in dem die Abgeordnete Frau von Bothmer im Hosenanzug zu sehen ist, beschreibt warum. Die aufgezeichneten Zwischenrufe lauteten von „Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib“ bis hin zu „Armes Deutschland“ und „Nächstens kommen Sie noch oben ohne…“.

„Der große Sommer“ von Gymnasiallehrer Ewald Arenz bediente ein völlig anderes Genre. Das Buch handelt vom Aufwachsen des jugendlichen Frieder und seiner ersten großen Liebe. Als Erwachsener blickt er beim Gang zu einem Grab zurück auf einen Sommer voller Veränderungen und Abenteuer rund um die Unterkunft bei seinen Großeltern und mit seinen FreundInnen. Die Geschehnisse münden in der wahnwitzigen Idee, gemeinsam ein Grab zu kaufen. In der leicht lesbaren Geschichte sind Hoffnungen und Ängste gleichermaßen ablesbar wie Grenzüberschreitungen und Vertrauensbrüche.

Zum Schluss stellte Beate Oehmen „Acht Wölfe“ von Ulla Scheler vor. Die mit Jahrgang 1994 jüngste der vorgestellten AutorInnen versucht sich hier an einem Wildnis-Abenteuer, das einer facettenreich zusammengewürfelten Gruppe junger Stadtmenschen im Wood Buffalo Park in Kanada widerfährt. Der Reiseführer, der anfänglich über alle Gefahren und potentielle Probleme, vor allem auch mit den dort vorkommenden Braun- und Grizzlybären aufklärt, entpuppt sich aber als nicht so vertrauenswürdig wie gedacht. Das Schockierende, das die Gruppe am fünften Tag erlebt, veranlasst zur Flucht Hals über Kopf und führt zum Kampf ums Überleben. Die aus der Sicht von drei Personen geschriebene Story beschreibt eindrücklich deren Gefühlswelt und Beweggründe und führt zu der Erkenntnis, dass es sich mit leichtem Gepäck besser reisen lässt und dass schließlich nur Zusammenhalt aus der Misere führt.   

Die jeweils unter viel Applaus beendeten Buchvorstellungen ließen die um einen kurzweiligen, informativen und anregenden Abend bereicherten Gäste mit neuen Erkenntnissen nach Hause gehen oder noch angeregt plaudernd zusammenstehen. Von der kostenfreien Mitnahmemöglichkeit von ausrangierten Medien wurde ebenso Gebrauch gemacht wie von der Möglichkeit, Bücher auszuleihen, denn auch alle vorgestellten Bücher stehen zur Ausleihe kostenfrei zur Verfügung.   

Text und Bild: Peter Oehmen